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Wie lange ist offener Wein haltbar?

Gunter Barbosa Friedrich

Aktualisiert: 1. März 2024



Welche Faktoren beeinflussen die Haltbarkeit geöffneter Weine


Jedem, der schon einmal vor einen offenen Flasche guten Weines stand, die er nicht austrinken wollte oder konnte, stellte sich automatisch die Frage, ob man den Wein noch aufheben kann. Und wenn ja, wie und wie lange?”

Das ist eine ziemlich knifflige Frage und die Antwort darauf nicht so einfach zu finden, da die Art und Weise der Aufbewahrung des Weines sowie die Dauer einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Qualität desselben haben. Daher müssen wir, um die Antwort zu finden, etwas weiter ausholen. Wir müssen dazu nämlich wissen

  • um was für einen Weintyp es sich handelt, ob es ein Rotwein, Weißwein oder Rosé ist?

  • ob es ein Stillwein oder Sekt bzw. gar Champagner ist?

  • ob der Wein verstärkt wurde, dann handelt es sich wahrscheinlich um einen Sherry, Portwein oder Madeira?

  • ob er in der Regionalklasse oder der Champions League spielt?

Auch müssen wir wissen, wie voll beziehungsweise leer die Flasche schon ist und bei welchen Temperaturen der Wein gelagert werden kann.

Diese Fragen beinhalten Kriterien, die auf die Haltbarkeit eines geöffneten Weines Einfluss haben. Aber der Reihe nach.


Kann Wein verderben?


Vielleicht finden wir eine Antwort auf die Frage leichter, wenn wir verstehen, was mit einem einmal geöffneten Wein passiert.

Wie wir wissen, entsteht Wein aus der Vergärung von Traubensaft durch die Mitwirkung von Bakterien, die Zucker in Alkohol und CO2 umwandeln, die die Primäraromen bilden und Apfelsäure teilweise in die angenehmere Milchsäure umwandeln. Ist der Zucker vergoren, ist diese Fermentationsstufe in der Regel beendet. Lässt man den Wein einige Zeit länger stehen, entwickelt sich der Göttertrank unter Einwirkung anderer Bakterien zu Essig. Das wollen wir in der Regel nicht. Dieser Prozess dauert jedoch ziemlich lange und so lange möchten Sie Ihren Wein sicher nicht aufbewahren. Die Antwort auf die Frage, ob ein Wein an der Luft verderben kann, ist also eher "nein".


Sauerstoff – der Gegenspieler vieler Weine


“Aber was passiert denn nun mit dem Wein?” “Wieso kann ich den nicht einfach stehen lassen und später weiter trinken?“

Im Wein entstehen durch die Fermentation viele Aromen, die wir gerne mögen und deswegen den Wein auch trinken. Diese Aromen kommen aus unterschiedlichen chemischen Klassen, die unterschiedlich stark oder gerne mit Luftsauerstoff reagieren und sich dadurch verändern und mit dieser Änderung auch die wohlriechenden und -schmeckenden Substanzen, wodurch sich deren Eigenschaften ändern und die wir dann anders wahrnehmen. Und das wollen wir nicht.

Je mehr ich aus der Flasche getrunken habe – beispielsweise die Hälfte – desto grösser wird die Kontaktfläche mit Sauerstoff und desto schneller geht dieser Umwandlungsprozess vonstatten. Auch das Luftvolumen über der Flasche wird größer, wodurch mehr Luftsauerstoff für diesen Prozess zur Verfügung steht und ebenfalls den Prozess beschleunigt.

Einfluss der Temperatur


Der Luftsauerstoff ist es also, wovor wir den Wein schützen wollen, denn er bewirkt eine Oxidation der Wein-Inhaltsstoffe. Daneben gibt es noch einen wesentlichen Faktor, der den ganzen Prozess beschleunigt oder verlangsamt, und das ist die Temperatur.

Gleichgültig, um welchen Wein es sich handelt, ob Weißwein, Rosé oder Rotwein, Sherry oder Portwein. Wenn man ihn in den Kühlschrank stellt, erhöht sich die Lebensdauer beträchtlich. Es gibt aus der Wissenschaft eine Daumenregel, die besagt, dass sich die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion bei einer Temperaturerhöhung von 10º K verdoppeln bis vervierfachen kann. Wenn man den Wein also bei 24ºC auf dem Tisch stehen lässt, anstatt bei 4ºC in den Kühlschrank zu stellen, reagieren die Inhaltsstoffe des Weines vier- bis achtmal schneller mit dem Luftsauerstoff. Das bedeutet mit anderen Worte, dass ein Wein im Kühlschrank vier bis acht mallänger haltbar wird als bei Raumtemperatur. Also erst einmal ab mit dem Wein in den Kühlschrank!


Kniffe zur Verlängerung der Haltbarkeit


Was kann ich noch tun, um meinen Wein länger haltbar zu machen? Richtig, man kann die Oberfläche verringern, indem man beispielsweise den Wein aus der halb angebrochenen Flasche in eine 0,375l-Flasche umfüllt. Dadurch wird die Flasche wieder voll und die Oberfläche möglichst klein. Allerdings muss man dabei bedenken, dass das Umfüllen einem Karaffieren gleichkommt, und der Wein mit Luftsauerstoff in Berührung kommt und sich sein Geschmack auch dadurch schneller verändern kann.

Um einen Teil der Luft und somit Sauerstoff aus der Flasche zu bekommen, kann man diese auch aus der Flasche abpumpen. Das geschieht mittels eine Pumpe, die auf einem Ventil angebracht wird, das verhindert, dass keine Luft mehr in die Flasche eindringen kann. Allerdings entsteht dadurch ein Unterdruck, durch den die leichter flüchtigen Aromen dem Wein entzogen werden. Diese würden jedoch ohnehin entweichen, wenn auch nicht so schnell. Dadurch entsteht also ein vergleichsweise geringer Nachteil. Der Vorteil der Methode besteht jedoch darin, dass die Inhaltsstoffe mit weit weniger Sauerstoff in Verbindung kommen und nicht in dem Maße verändert werden, wie das ohne den Unterdruck geschehen würde.


Haltbarkeit einzelner Weinstile


Cava, Champagner & Co.

Champagner lebt neben seinen wundervollen Sekundäraromen vor allem von diesen kleinen prickelnden Gasbläschen, die bei der Sekundärgärung entstehen und je kleiner, desto feiner die Aromastoffe bis zum Trigeminus transportieren, um unsere Sinne zu berauschen (Sie haben es bemerkt, hier schreibt ein Schaumwein Liebhaber).

Da diese Gasbläschen jedoch auch den Nachteil haben, sehr flüchtig zu sein, bleibt von Ihnen meist nach einiger Zeit nicht mehr viel in der Flasche. Vor allem wenn nach der Hälfte der Flasche der Gasraum schon relativ groß ist, geht beim Stehen viel von dem CO2 in diesen über und ist beim zweiten Öffnen am nächsten Tag weg.

Meine Empfehlung daher: Trinken! Oder maximal ein bis 2 Tage im Kühlschrank! stehen lassen.

Weißwein

Diese lassen sich, wie die restlichen Vertreter auch, nicht über einen Kamm scheren. Da gibt es die leichten, fruchtigen Weine, die schnell von ihrer intensiven flüchtigen Frucht verlieren. Aufbewahrung 2 bis maximal 3 Tage nach dem Anbrechen und bei Aufbewahrung im Kühlschrank.

Die körperreichen Weißen wie ein Malvasía oder ein Verdejo, die im Holzfass gereift sind, kann man auch ein bisschen länger, 3-4 Tage, aufbewahren, da diese die meisten ihrer fruchtigen Note eingebüßt haben und durch ihre Sekundär und Tertiäraromen überzeugen, die nicht mehr ganz so flüchtig und sensibel sind wie die Primäraromen. Im Holzfass hatten diese Weine bereits Kontakt mit Sauerstoff und können von dem schon ein bisschen mehr vertragen.

Rosé

Für den Rosé, der sich vom Weißwein dadurch unterscheidet, dass er länger Kontakt mit den Traubenschalen hat, wodurch er seine rosa Farbe bekommt, gilt das gleiche.

Rotwein

Fangen wir wieder bei den etwas leichteren und helleren Rotweinen wie Pinot Noir oder Garnacha an. Diese haben auf Grund ihrer dünnen Schale weniger Tannine, Anthocyane und Phenole abbekommen und sind daher etwas heller und leichter im Geschmack. Dabei sind sie meist etwas fruchtbetonter als die kräftigen. Diese sollten 3-4 Tage gut im Kühlschrank überstehen können.

Die muskulösen, wie die Tempranillos, vertragen auch hier mehr, also 4-5 Tage, ohne dass man sich über zu starke Geschmacksveränderung Sorgen machen müsste.

Die jüngeren der kräftigen Roten (Crianzas) profitieren eher von etwas Sauerstoffkontakt, da dadurch die Tannine runder werden und die Weine dem Gaumen gefälliger erscheinen. Diese vertragen dann auch schon einmal Aufbewahrungszeiten von bis zu einer Woche.

Sherry, Portwein, Madeira

Eine Weinsparte, die ich angekündigt habe, aber auf die ich bisher noch nicht eingegangen bin, sind die Sherrys und verstärkten Weine.

Warum mache ich diese Unterscheidung? Nicht alle Sherrys sind auch verstärkt. Der Fino und auch der Manzanilla haben etliche Monate unter einer Hefeschicht verbracht und waren von der sie umgebenden Luft abgeschirmt, sodass ihnen der Luftsauerstoff nichts anhaben konnte. Wenn man diese Weine öffnet, sollte man sie möglichst zügig trinken und nicht allzu lange warten, da der Luftsauerstoff ihnen ihren Charme raubt, die Aromen verändert, sodass sie nach 4-5 Tagen bis maximal einer Woche einen Großteil ihrer Lebendigkeit verloren haben.

Anders verhält es sich mit den oxidativ ausgebauten Sherrys wie Oloroso oder Palo Cortado, die nach dem Absterben der Hefeschicht (Flor) noch etliche Jahre im Holzfass verbracht haben. Diese Weine sind so stabil, dass sie auch nach dem Öffnen bedenkenlos noch monatelang in der Flasche aufbewahrt werden können.

Ebenso verhält es sich mit dem portugiesischen Madeira. Der Wein ist oxidativ ausgebaut und war Wärmebehandlungen ausgesetzt, bevor er abgefüllt wurde und in den Verkauf kommt. Den haut so schnell nichts mehr um und er verträgt durchaus Monate in einer angebrochenen Flasche, ohne Einbußen an Aroma oder Qualität befürchten zu müssen.

Kommen wir zu Portugal müssen wir auch über den Portwein reden. Beim Portwein unterscheidet man zwischen Ruby und Tawny, zwischen Late Bottle Vintage und Vintage.

Die Tawnys (Twany und Old Tawny) werden oxidativ im Fass ausgebaut und sind gegen oxidativen Stress nach Anbruch der Flasche wenig empfindlich und daher auch einige Wochen haltbar.

Ruby und Late Bottle Vintage haben kürzere Reifezeiten im Fass und reifen noch etwas in der Flasche nach. Daher sind sie weniger Sauerstoff-resistent und sollten schneller getrunken werden. Eine Woche im Kühlschrank sollten sie unbeschadet überstehen. Der Vintage gehört zur “Prime Class” der Portweine, dem besondere Beachtung geschenkt wird. Das sind Weine besonderer herausragender Jahrgänge, reifen 2-3 Jahre im Fass und danach noch Jahrzehnte in der Flasche nach. Sie ahnen es, diese Weine sind sehr anfällig gegen Sauerstoffeinfluss und sollten schnell getrunken werden. In der Regel werden sie, ebenso wie die edlen Sherrys zu besonderen Anlässen getrunken und werden daher auch eher selten längere Zeit nach Anbruch überstehen. Länger als 3-4 Tage sollten es nicht sein.


Und jetzt noch einmal im Überblick: Haltbarkeit der Weine nach Weintyp


Die folgenden Angaben beziehen sich auf die Lagerung des Weines im Kühlschrank.

Weintyp

​Dauer

Schaumwein

max. 2 Tage

Leichter Weißwein / Rosé

2-3 Tage

Körperreicher Weißwein

3-4 Tage

Leichter Rotwein

​3-4 Tage

Köperreicher Rotwein

4-5 Tage

Junge kräftige Rotweine

bis 7 Tage

Sherry


Fino, Manzanilla, Amontillado

max. 2-5 Tage

Oloroso, Palo Cortado, Pedro Ximénez

einige Wochen

Portwein


​Vintage

3-4 Tage

Ruby und Late Bottled Vintage (LBV)

7 Tage

Tawny

2-3 Wochen



Zusammenfassung


Noch einmal das Wichtigste im Überblick:

  • Angebrochener Wein gehört immer in den Kühlschrank. Auch Rotwein.

  • Wenn möglich sollte die Kontaktfläche Wein/Luft so gering wie möglich gehalten werden oder

  • der Luftanteil über der Weinoberfläche verringert werden.

  • Nach der Art des Ausbaus steigt (oxidativ, verstärkt) oder sinkt (reduktiv) die Haltbarkeit angebrochener Flaschen.



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